Kati Wagner-Matthiess

Wie führe ich ein konstruktives Kritikgespräch? Dein 7-Punkte-Fahrplan und alle Hintergründe

Viele Kritikgespräche wären entbehrlich, würden wir klare und wertschätzende Feedbackgespräche führen. Tun wir das nicht oder eben nicht wirklich klar, verfestigt sich das ungünstige Verhalten unserer Mitarbeitenden und irgendwann bleibt nur noch die „Rote Karte“. Ein Kritikgespräch ist daher für mich in den meisten Fällen die Eskalationsstufe.

Positive Grundeinstellung

Wenn ein Kritikgespräch auf dem Plan steht, sind viele Führungskräfte innerlich schon richtig sauer. Da hat es (aus Sicht der Leaderin) doch schon diverse Andeutungen und Hinweise ihrerseits gegeben. Vielleicht hat sie auch wiederholt Feedbackgespräche dazu geführt, aber zu einer Verhaltensänderung hat das nicht geführt. Sie fühlt sich dadurch nicht ernst genommen und wütend auf den anderen. Um nicht wütend in ein Kritikgespräch zu gehen (verleitet dazu Dinge zu tun und zu sagen, die man hinterher bereut und zerstört die Beziehungsebene) ist es wichtig, Mensch und Verhalten zu trennen (wie im Harvard-Konzept beschrieben). Was bedeutet das? Grundsätzlich ist der Mitarbeiter als Mensch für uns ok, nur dieses eine VERHALTEN nicht. Wenn es uns gelingt, den Menschen als solchen wertzuschätzen, brauchen wir uns nicht zu empören und können das Gespräch gut führen. Unser Gesprächspartner wird dies spüren und ist dann eher bereit, Kritik zu akzeptieren (ohne in die Gegenwehr zu gehen).
Bsp: „Du weißt ja, dass ich dich und deine Arbeit sehr schätze…“

Thema direkt ansprechen

Verzichte in solchen Gesprächen auf Smalltalk zu Beginn und komm gleich zum Punkt.
Bsp: „Es gibt da allerdings einen Punkt, der mir Sorgen macht und worüber ich dringend mit dir sprechen möchte. Das ist deine Pünktlichkeit in Teammeetings.“

Situation und Verhalten konkret und direkt schildern

Schildere konkret und neutral deine Wahrnehmung. Was hast du genau gesehen oder gehört?
Bsp.: „In den letzten sechs Wochen bist du jeweils 10 bis 15 Minuten zu spät gekommen. Beim letzten Mal schriebst du 5 Minuten nach Beginn in den Chat, dass du dich um 10 Minuten verspätest. Tatsächlich warst du sogar erst 20 Minuten nach Beginn im Meeting. Vor drei Wochen hatten wir bereits beide über das Thema gesprochen. Wenn ich es richtig verstanden habe, dann hast du gesagt, dass es keine objektiven Gründe für dein Zuspätkommen gibt, dass du vielmehr ein Problem hast, dich zeitlich zu strukturieren. Da hast gesagt, dass du das ändern wirst, bisher aber ohne Erfolg. Korrigiere mich gern, wenn du das anders siehst?

Auswirkungen des Verhaltens schildern

Warum genau hast du als Führungskraft damit ein Problem? Häufig sehen Menschen das Thema nur aus ihrer subjektiven Brille und erkennen nicht die negativen Auswirkungen auf andere. In dem Fall halten sie deine Kritik für überzogen und fühlen sich gegängelt. Wenn sie es persönlich nehmen, fühlen sie sich vielleicht sogar gemobbt und schon seid ihr im nächsten Konflikt. Beides ist aber kontraproduktiv, da es nicht Commitment, sondern Widerstand hervorruft. Darum schildere hier möglichst genau, welche Auswirkungen dieses Verhalten auf Kollegen, Prozesse, Produktivität oder Vertrauen hat. Wenn du deinen Gesprächspartner gut kennst, dann weißt du auch, was ihm besonders wichtig ist. Dies betonst du dann besonders. Wenn er bspw. eigentlich ein enthusiastischer Teamplayer ist, dann betone die negativen Auswirkungen auf seine Beliebtheit bei den anderen.
Bsp: „Die anderen Kolleginnen sind zunehmend genervt und schütteln die Köpfe oder rollen mit den Augen, wenn sie wieder auf dich warten müssen. Schließlich haben alle viel auf dem Tisch und sind trotzdem pünktlich. Sie empfinden das als respektlos ihnen gegenüber. Außerdem fehlen uns deine guten Ideen in den Themen. Das ist schade. Letzte Woche musste dich Peter nach dem Meeting noch gesondert über das informieren, was wir zu Projekt New beschlossen hatten. In dieser Zeit hätte er auch etwas anderes machen können.

Mögliche Konsequenzen bei Wiederholung aufzeigen

Wenn dein Gesprächspartner bis jetzt noch nicht vollständig überzeugt ist, dann wird er immer einen Preisvergleich machen: Was kostet es mich, wenn ich mein Verhalten ändere? Von altem Verhalten abzulassen, kostet uns immer etwas – nämlich Energie. Unser Gehirn will von Natur aus Energie sparen und fragt sich: Was ist der Preis, wenn ich es nicht tue? Damit es sich genau diese Frage beantworten kann, hilfst du ihm mit der Antwort und zeigst die Konsequenzen, also den Preis auf. Dies ist besonders wichtig, wenn eine Wiederholung des kritischen Verhaltens zu arbeitsrechtlichen Konsequenzen führen wird und er damit sein Arbeitsverhältnis gefährdet. Prüfe das aber vorher. Drohe nicht mit Konsequenzen, die du nicht halten kannst oder willst. Damit machst du dich unglaubwürdig.
Doch auch, wenn es nicht gleich das Arbeitsverhältnis gefährdet ist, kann es Konsequenzen geben, die dein Gesprächspartner zu erwarten hat und die nicht in seinem Interesse liegen. Das könnte z.B. ein Privileg oder eine Tätigkeit sein, die er besonders gern mag und dann nicht mehr ausführen kann.
Bsp: „Ich weiß ja, dass du gern die neuen Kolleg:innen einarbeitest und das hast du in der Vergangenheit auch super gemacht. Allerdings bist du auch ein Vorbild für diese und mit diesem Verhalten setzt du die absolut falschen Signale. Daher würde ich dich von dieser Aufgabe entbinden müssen. Das wäre wirklich schade.“

Erwartungen an zukünftiges Verhalten klar formulieren

Benenne klar, welches Verhalten du in Zukunft erwartest. Auch wenn du denkst „Das ist doch klar, da brauche ich nichts zu sagen“ – wenn es so klar wäre, hätte es vielleicht in der Vergangenheit auch schon geklappt! Woran genau wirst du merken, dass das Verhalten besser ist? Nicht nur „freundlicher“, „pünktlicher“ etc. sondern welches Verhalten zeigt er genau?
Bsp.: „Ich erwarte, dass du zu den Teammeetings direkt zum vereinbarten Meetingbeginn mit Kamera anwesend bist.“

Commitment einholen

Du kannst natürlich einfach fragen „Kann ich mich darauf verlassen, dass du zukünftig pünktlich bist?“ Wahrscheinlich wirst du ein „ja“ erhalten. Aber das hat ja auch bisher nicht geklappt.
Frage besser nicht nach dem OB sondern nach dem WIE: „Wie kannst du sicherstellen, dass du ab sofort pünktlich bist?“ Wenn du der Frage mal nachgehst, wirst du merken, dass sie den Fokus und die Energie in eine ganz andere, nämlich lösungsorientierte Richtung lenkt. Was konkret macht er denn ab sofort anders? Denn nur wenn er etwas anders als bisher macht, wird auch das Ergebnis ein anderes sein. Vielleicht stellt ihr auch fest, dass er für die eine oder andere Idee deine Unterstützung braucht. Dazu bist du natürlich gern bereit.
Wenn hier zu diesem Zeitpunkt erstmal keine Antwort von deinem Gegenüber kommt, dann warte einfach ab. Diese Pause ist deinem Gesprächspartner sicher mindestens genauso unangenehm wie dir. Kommt dann immer noch nichts, kannst du das Gespräch auch gern auf den nächsten Tag vertagen. Für den Erfolg ist es wichtig, dass die Idee von ihm kommt.
Bsp.: „Mir ist wichtig, dass die Ideen dazu von dir kommen. Mach dir in Ruhe Gedanken, was am besten funktionieren könnte und lass uns morgen um zehn nochmal darüber sprechen, einverstanden?“

Nachdem ihr dann ein konkretes Ziel festgelegt habt (z.B. nach der SMART-Regel), bitte deine Mitarbeitende, dass sie dies nochmals schriftlich zusammenfasst und per Mail an dich schickt. Hier kannst du prüfen, ob alles richtig angekommen ist. Diese Mail kannst du dann deiner eigenen Gesprächsnotiz beifügen.

Mache diesen Fehler nicht

Mir fällt immer wieder auf, dass viele Führungskräfte das wiederholte Fehlverhalten („wir hatten doch schon darüber gesprochen!“) als persönlichen Angriff auf ihre Führungsautorität sehen („Das macht der doch mit Absicht! Aber nicht mit mir!“). Vielleicht spielen auch eigene Ängste mit („Was denkt denn mein Chef von mir, wenn er das mitkriegt? Der denkt doch, ich habe das Team nicht im Griff.“). Dann glauben sie, ein „Machtwort“ sprechen zu müssen und starten damit einen Gegenangriff. Das ist aber in den allermeisten Fällen ein Irrtum. Wenn es dir gelingt, dieses Verhalten nicht persönlich zu nehmen, kannst du das Gespräch sachlich und auf Augenhöhe führen (Ich bin ok – du bist ok). Eure gute Beziehungsebene bleibt erhalten und die Chancen für eine Verhaltensänderung stehen bestens.

Wenn du dazu Fragen oder Anmerkungen hast, hinterlasse hier gern einen Kommentar. Wenn du selbst solche Gespräche führen musst und dir im Vorfeld Unterstützung wünscht, melde dich gern über das Kontaktfeld bei mir.



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