Kati Wagner-Matthiess

Weihnachten endlich entspannter und freudvoller für alle – so gehts

Ist „Weihnachten wie immer“ eigentlich noch gut? Was heißt das genau für alle Beteiligten? Wo ist es einfach Zeit nachzujustieren, damit es weiter für alle schön bleibt? Mein Plädoyer: Sprecht offen darüber, was jeder unbedingt weiter dabei haben möchte und was er unbedingt NICHT mehr haben möchte. Du meinst, das bringt eh nichts, weil ihr euch sowieso nicht einig werdet? Dann lies mal weiter und erfahre, wie es funktionieren kann.

Irritationen, Missverständnisse und Unmut

„Mama“, sagte meine Tochter 2 Wochen vor Heiligabend (2020) am Telefon, „wir wissen noch gar nicht genau, ob wir diesmal überhaupt kommen.“ Ich falle aus allen Wolken! Weihnachten ohne die Mädels? Ohne Ankündigung? „Ist dir das denn überhaupt wichtig? Ihr kommt erst einen Tag vor Heiligabend aus dem Urlaub zurück, wisst nicht, ob ihr in Quarantäne müsst usw. Vielleicht ist euch das auch alles zu viel und es ist euch lieber, wenn wir gar nicht kommen?“ Du meine Güte, was für Signale habe ich denn kommuniziert, dass der Eindruck entsteht, dass sie Weihnachten nicht willkommen sind? Ich habe gleich einen Kloß im Hals und dementiere, schwöre, dass sie natürlich willkommen sind und ich mich schon riesig auf sie freue. „Gut“, sagt meine schlaue Tochter, „Dann lass uns bitte diesmal im Vorfeld ganz klar zusammen darüber reden, was jedem wichtig ist und was er nicht möchte.“
Hm, ja, wenn ich so an die Weihnachten davor denke… da war immer etwas in Bewegung, an starren Traditionen festhalten, wenn es niemandem mehr dient, war eh nicht so unser Ding. Manches haben wir im Vorfeld besprochen (z.B. keine Geschenke mehr), vieles aber erst spontan, wenn es soweit war. Dann haben wir uns oft nicht wirklich einigen können, was zu Enttäuschungen und Unmut führte (Kirche oder nicht, Spieleabend wann und welche Spiele etc.)

So geht ihr in den Austausch

Diesmal wird es also anders. Da wir nicht mehr in einem Haushalt leben, treffen wir uns online. Am besten ist es, wenn ihr euch alle seht. Bei so einem emotionsgeladenen Thema ist es sehr hilfreich, wenn ihr Mimik und Gestik der andern sehen könnt, um Missverständnisse zu vermeiden. Bei diesem Treffen darf jeder sagen:

  • Was genau ist ihm an diesem Weihnachten wichtig und warum?
  • Was möchte er diesmal auf keinen Fall erleben und warum?

Am besten findet sich jemand, der mitschreibt oder es anderweitig visualisieren kann. Dann kann nichts vergessen werden und hinterher kommt es nicht zu Irritationen. Dies ist umso wichtiger, je mehr Leute ihr seid.

Zoom ist ideal für so einen Austausch

Warum ist es wichtig, nach dem Warum zu fragen?

Dadurch erkennen wir die dahinter liegenden Bedürfnisse und können Lösungen finden, die wir sonst nicht gesehen hätten. Hier ein Beispiel dafür: Warum soll es weiterhin traditionell am ersten Feiertag Ente geben, wenn die Kinder mittlerweile vegan leben? Dieses Thema hatten wir die letzten Jahre so gelöst, dass es zusätzlich zur traditionellen Ente für die jungen Erwachsenen ein zusätzliches Essen gab. Diesmal ist der Wunsch meiner jüngsten Tochter aber, dass es gar keine Ente gibt. Ohne das „Warum“ dahinter, könntest du vielleicht denken „Na, jetzt übertreibt sie aber wirklich. Sie bekommt doch schon ein Extraessen, gönnt sie ihren Eltern nicht mal die Ente?“ und dein Verständnis hielte sich vielleicht in Grenzen. Ihr „Warum“ dahinter ist aber, dass ihr mittlerweile schon von dem fettigen Bratengeruch der Ente übel wird. Dieser ist in unserem „kommunikativen“ Haus unvermeidbar und hält sich noch mindestens zwei Tage. Natürlich möchte ich nicht, dass meiner Tochter die ganze Zeit schlecht ist. Wie könnte eine Lösung aussehen? Variante 1: Die Eltern essen die Ente einfach am Wochenende vor oder nach dem Weihnachtsbesuch. Das wird unsere Lösung. Eine zweite Variante wäre, dass man zum Ente essen ins Restaurant geht, dann ist der Geruch nur auf 2h beschränkt. Es gibt immer mehrere Lösungen und die könnt ihr finden und diskutieren. Die zeitliche Verschiebung ist in solchen Konfliktfällen übrigens häufig eine gute Idee.

Findet einen Konsent

Was macht ihr, wenn ihr euch nicht einig werdet, weil gegensätzliche Interessen im Raum stehen? Da kann ein Konsent helfen: Den Konsent kenne ich noch nicht so lange. Nachdem ich vorher nur wie du vielleicht auch den Konsens (wir finden eine für alle gute Lösung) und Kompromiss (ich verzichte teilweise auf meine Forderungen) kannte, geht es beim Konsent darum, sich manchmal auf den kleinsten gemeinsamen Nenner zu einigen und sich zu fragen „Kann ich damit leben?“. Dies funktioniert am besten, wenn die wirklich wichtigen Wünsche von jedem gehört und berücksichtigt wurden. Dann fühlt sich jeder gesehen, das Beziehungskonto ist gut gefüllt und er ist bereit, einige seiner Wünsche in diese Rubrik einzuordnen.
Wir hatten uns übrigens in dem Jahre auf gemeinsames Kochen, Cocktailabend, Spieleabend, Brigittehoroskop, Räucherwerk, Strandspaziergang und Tarotkarten geeinigt. Auf einen Baum verzichten wir. Es wurde eines der schönsten Weihnachtsfeste.

Es gab dann Quiche statt Ente.
Auch von außen sieht es sehr gemütlich aus.
Unsere selbstgemachten Tarotkarten
Am Bahnhof bei der Abreise, eine fährt zurück nach Berlin und eine nach Mainz

Hast du Lust, das mal auszuprobieren? Schreib gern in die Kommentare, welche Lösungen ihr gefunden habt, Weihnachten zu einem für alle freudvollen Fest zu machen.

5 Antworten

  1. Kati, die Idee kannte ich ja schon aus dem Zoom im Neinachtskalender, bei dem ich vor deinem Ideenreichtum erblasste. Aber geschrieben ist das alles noch viel viel schöner. Ich liebe es!

    Vielen Dank für die tolle Schilderung eurer entspannten Weihnachtsfeiertage.

    Liebste Grüße
    Silke

    1. Vielen Dank, liebe Silke, für die Inspiration zu dieser Geschichte durch unser Gespräch in deinem Neinachtskalender 🙂
      Ohne dieses hätte es diesen Artikel vermutlich nicht gegeben.

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